Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Kaisen-Tochter Ilse war damals 21 Jahre alt und erlebte das Kriegsende in Borgfeld. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir einen Auszug aus ihren Lebenserinnerungen.
Zum Kriegsende in Borgfeld vor 80 Jahren
„Am 23. April 1945 gab es Daueralarm, die Menschen konnten die Bunker nicht mehr verlassen. Auch in Borgfeld saßen wir die letzten schrecklichen Tage im Bunker. An der Ecke Rethfeldsfleet/Upper Borg gab es einen überirdischen Bunker, in dem wir Schutz suchen konnten. Zwischendurch, wenn es ruhig war, gingen die Männer die Häuser ab, um nach dem Rechten zu sehen. Die Kühe hatten wir im Stall los gebunden und die Türen aufgemacht, damit sie im Notfall raus konnten konnten.
Die alliierten Truppen waren längst auf deutschem Boden und auf dem Vormarsch, um das Land zu besetzen. Vor den Toren Bremens lag eine englische Division, und man war erleichtert. So dachten wir am 25. April 1945, der Krieg sei vorbei, verließen den Bunker und gingen zum Haus zurück. Plötzlich begann eine furchtbare Schießerei über uns hinweg, und wir mussten wieder zurück in den Bunker. Was war passiert? Wir wussten nicht, dass im Mariannenhof die britische Artillerie in Stellung gegangen war, und an der Wümme, auf der Lilienthaler Seite, ein versprengtes Häuflein Hitlerjungen mit einigen Parteigrößen lag. Sie glaubten, mit Panzerfäusten und anderer Munition das Vaterland retten zu können und waren Ursache der Schießerei. Bei dieser Aufregung merkten wir erst später, dass unser Franz wie vom Erdboden verschwunden war. Wir suchten und riefen ihn, aber vergeblich – bis er plötzlich aus dem Mariannenhof gelaufen kam. Er hatte angenommen, der Krieg sei vorbei und wollte zu Heini Meyer, dem Hofmeier vom Mariannenhof. Er lebte mit seiner Frau und der kranken Tochter in dem Bauernhaus, das damals als alte Ruine noch stand. Das Ehepaar Meyer war daran gewöhnt, dass nach einem Angriff von uns immer ein Familienmitglied kam, um zu sehen, wie sie alles überstanden hatten. Heini Meyer rief in die Schießerei hinein: „Nicht schießen, nicht schießen! Zivilist!“ So ist Franz mit dem Schrecken davon gekommen. Am 26. April 1945 wurde Bremen von der englischen Armee besetzt, der Krieg war für uns vorbei. Es war ein wunderbarer Frühling in dem Jahr mit viel Wärme und Blütenpracht. Es war, als wollte die Natur die Menschen versöhnen.Die ersten Tage der Besatzung waren schwierig. Wir konnten von Borgfeld aus nicht in die Stadt kommen, weil alles abgesperrt war und man außerdem die Sperrstunden am Abend beachten musste. Am 1. Mai bin ich mit dem Rad los gefahren und habe versucht, die Schleifmühle (Arbeitsstelle) zu erreichen, was auch gelang. Die Räume waren von den Engländern besetzt, sie hatten dort eine Dienststelle eingerichtet. Ich versuchte, mit dem diensthabenden Soldaten zu reden, was schwierig war, weil ich mich nicht als Angestellte der Firma ausweisen konnte. Nach langem Hin und Her hat man hier geglaubt. Sie sagten, sie würden auf unbestimmte Zeit bleiben, und ich sollte mich alle paar Tage erkundigen. Das zog sich hin bis zum 8. Mai, dem Tag der Kapitulation. Später zogen die Engländer ab, die Amerikaner kamen, Bremen wurde amerikanische Enklave.“
Aus: Ilse Kaisen, Unser Leben in Borgfeld, S. 49-50.