Die schlichte Sepia-Aufnahme stammt aus dem Jahr 1916 und ist aus verschiedenen Gründen bemerkenswert. Sie zeigt das frisch verheiratete Brautpaar Wilhelm und Helene Kaisen. Fotografiert wurde sie von Henry Frank, dem Inhaber des jüdischen Fotoateliers Julius Frank in Lilienthal.
Drei Jahre nachdem sich Helene Schweida und Wilhelm Kaisen auf der SPD-Parteischule in Berlin kennenlernten, heirateten sie. Kaisen war im Ersten Weltkrieg als Unteroffizier in Flandern stationiert. Die Vermählung erfolgte während eines kurzen Fronturlaubs am 1. Mai 1916. Die anschließende „Hochzeitsreise“ führte zu Fuß nach Worpswede. Bei einem Zwischenstopp in Lilienthal am 3. Mai 1916 besuchte das Paar das Fotogeschäft Julius Frank und ließ sich dort porträtieren.
Das 1872 gegründete Fotoatelier führte Henry Frank in zweiter Generation. Es erlangte überregionale Bekanntheit durch seine künstlerischen Worpsweder Motive. Nach seinem frühen Tod 1931 führte sein Sohn Julius das Geschäft weiter. Er flüchtete 1936 unter dem Druck des NS-Regimes in die USA und starb dort im Jahr 1959. Vierzig Jahre später suchte der Heimatverein Lilienthal den Kontakt zur Familie Frank in Amerika. Diese stiftete den Nachlass Julius Frank mit vielen Fotomotiven und persönlichen Erinnerungsstücken an das Bremer Focke-Museum. Dort war 2022/23 unter dem Titel „Julius Frank – eine jüdische Fotografenfamilie zwischen Deutschland und Amerika“ eine Sonderausstellung zu sehen.
Das „Hochzeitsportrait“ wurde im Haus der Kaisens über 100 Jahre im Originalzustand bewahrt. Das Passepartout mit dem eingeprägten Namen des jüdischen Fotoateliers hat Seltenheitswert. Das Bild befindet sich heute in der Dokumentationsstätte.