Vor 100 Jahren, am 4. Oktober 1923, kam Ilse Kaisen – in der Familie „Illein“ genannt – als drittes Kind von Wilhelm und Helene Kaisen in Bremen zur Welt. Eine ausführliche Biografie von ihr findet sich hier.
Die Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung wurde auf maßgelbliche Initiative von Ilse Kaisen gegründet. Anlässlich ihres 100. Geburtstags veröffentlichen wir hier den Wortlaut der Rede, die sie zur Eröffnung der Scheune der Dokumentationsstätte im Jahr 2000 hielt.
„Verehrte Anwesende!
Diese Scheune spiegelt ein Stück Lebensgeschichte unserer Familie wider. Als unsere Eltern zusammen mit uns vier Kindern und den beiden Großvätern am 4. Dezember 1933 bei 12 Grad Kälte diese Siedlerstelle bezogen haben, war es gar nicht so sicher, ob unsere Familie hier überleben würde: Doch wir hatten Glück und wurden sesshaft. Mit sehr viel Mühe und Tatkraft wurde aus dieser Einöde am Ende der Welt eine kleine bescheidene Landwirtschaft, die uns in den Not Jahren ernährt hat. 1935/36 hat dann unser Vater zusammen mit den beiden Großvätern angefangen, den Vorderteil der Scheune zu bauen, in denen der Schweine- und Schafe Stall untergebracht wurden und ein Heuboden, auf dem ein Teil der Heuernte Platz fand, damals war das eine Errungenschaft für uns, hielten wir die Kühe noch im Stall im Wohnhaus.
1959 hat unser Vater den bekannten Bauunternehmer und Architekten Wilhelm Dehlwes beauftragt, die Scheune zu erweitern, damals ist sie so entstanden, wie sie sich im Grundriss heute noch darstellt. 1966 hat Herr Dehlwes auch das Wohnhaus von meiner Schwester und meinem Schwager Inge und Gerd Mentze gebaut. Herr Dehlwes ist heute ein hochbetagter Mann, ich begrüße ihn besonders herzlich und danke ihm und seiner Frau, dass sie uns heute die Ehre geben, dabei zu sein.
Dass diese Siedlung, einst das ungeliebte Stiefkind der Gemeinde, sich gemausert hat und ein ansehnlicher Ortsteil von Borgfeld geworden ist, in dem es sich heute gut leben lässt, ist Euren Eltern zu danken, bei einigen von Euch waren es auch schon die Großeltern: Sie haben sich damals, vor 67 Jahren, nicht beirren lassen und sind ihren Weg gegangen. Sie haben mit Fleiß und Hartnäckigkeit ihren Acker bewirtschaftet und so sind mit der Zeit aus der Wildnis schöne Siedlerhöfe entstanden.
Dieses alles wurde getragen von einer Nachbarschaft gegenseitiger Hilfe, damit haben sie uns vorgelebt, welch eine Kraft die Gemeinschaft in der Not sein kann und man die Hoffnung nicht verliert. Wir sollten Ihnen für die Jahre danach dankbar sein, die wir mit Ihnen hatten und wir uns weiter entwickeln konnten. Inzwischen haben sich weitere Nachbarn hier angesiedelt und haben hier hier zu Hause gefunden. Nun sind wir die Alten. Ein Jeder von Euch ist bemüht, das Ererbte sinnvoll weiter zu geben. Soweit Kinder und Enkel da sind, geht alles nahtlos in einander über. Aber sind sie nicht vorhanden, muss man eine andere Verfügung wählen, damit wenigstens die Erinnerung erhalten bleibt.
1995 haben mein Bruder Franz und ich die Stiftungsurkunde für die Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung unterschrieben, die dem Andenken unserer Eltern dienen soll, und die besagt, dass unser Anwesen auch zu sozialen Zwecken genutzt werden darf. Die Stiftung hat einen geschäftsführenden Vorstand, wird von einem Kuratorium begleitet. Also die Säule der Stiftung ist der Vorstand, und das sind die Herren Volker Kröning, Horst Brüning und Dr. Hartmut Müller, die mit viel Einfühlungsvermögen uneigennützig und in ehrenamtlicher Arbeit die Stiftung so entwickelt haben, wie sie sich in unserem Anwesen heute darstellt. Davon werden sie aber selbst erzählen. Ich bin für diese Entwicklung sehr dankbar und denke, es ist eine gute Erinnerung an unsere Familie, die allen Schwierigkeiten und Schicksalsschlägen zum Trotz sehr glücklich hier gewesen ist. Damit schließt sich für mich der Kreis. Nach jedem Ende kommt ein Neuanfang und darin liegt auch Trost und Zuversicht.
Liebe Nachbarn, worum ich Euch bitte ist, dass Ihr unsere Stiftung mit Wohlwollen und Verständnis begleitet und die Menschen, die auf unserem Anwesen leben, Euren nachbarlichen Zuspruch finden. Vielen Dank.“