Das Anwesen der Familie des längst legendären ehemaligen Bremer Bürgermeisters Wilhelm Kaissen (1887–1979) ist ein magischer Ort. Während man im Wohnhaus eine Zeitreise in eine längst untergegangene Welt mit „guter Stube“, engen Schlafräumen, prall gefüllten Bücherregalen und einer gemütlichen Wohnküche mit Ofen, kaltem Wasser und allerlei fast schon bizarren Utensilien des täglichen Lebens begegnet, erschließt sich in der einstigen Scheune, die heute eine Dokumentationsstätte zum öffentlichen und privaten Leben der Kaisens beheimatet, einer eher politischen Geschichte Bremens von den dreißiger bis in die siebziger Jahre.
Im Wohnhaus würde man sich nicht wundern, wenn Helene Kaisen plötzlich auftauchen würde, um freundlich zu fragen, was man denn dort mache. Wirkt doch alles in dem kleinen Siedlerhaus so, als sei die Familie nur kurz ausgegangen: der Vater vielleicht ins Rathaus, die Mutter zu einer Veranstaltung der Arbeiterwohlfahrt, die Kinder sind in der Schule oder bei anderen Aktivitäten.
Betritt man die Dokumentationsstätte, fällt dort zuerst der mächtige Schreibtisch ins Auge, ein gediegenes dunkles Möbel, solide gefertigt, mit etlichen Gebrauchsspuren, auf dem nur der Aschenbecher für Kaisens geliebte Zigarren fehlt. Dieser imposante Tisch – ergänzt um einen unbequemen Stuhl mit Bremer Staatswappen – ist nicht nur optisch ein Hingucker. Er stellt das Bindeglied zwischen Kaisens politischem und privaten Leben dar, zwischen Rathaus und Feldarbeit, zwischen großer Politik und familiärer Idylle.
An ihm hat er im Rathaus viele Stunden gearbeitet, über die fatalen Kriegsfolgen, den Wiederaufbau der Wirtschaft, der Häfen und der Stadt sinniert und Lösungen für soziale und andere Probleme gesucht. Hier hat er mit Senatskollegen/-innen und anderen politischen Weggefährten zusammen gesessen, hat beraten und gestritten, sicher auch mal über Eitelkeiten anderer geschmunzelt und sich über gelegentlich gelöste Fragen gefreut.
Dass dieser Tisch – mein Lieblingsstück – heute in der Kaisen-Stiftung einen würdigen Platz gefunden hat, freut mich bei jedem Besuch.
Dr. Dieter Fricke engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Dokumentationsstätte und führt regelmäßig Aufsicht an den Öffnungstagen.