Vor 90 Jahren bezogen Wilhelm und Helene Kaisen mit ihren Kindern ihre Siedlerstelle in Borgfeld und legten damit den Grundstein für unsere heutige Arbeit. Anlässlich des historischen Datums blicken wir zurück auf die Anfänge.
Der 4. Dezember 1933 war (wie in diesem Jahr auch) ein Montag. Die Zeitungen vermeldeten, dass eine frühe Kältewelle mit bis zu -12° eingesetzt habe. Für die kommende Weihnachtszeit wurde in den Central-Hallen eine große NS-Weihnachtsmesse angekündigt, private Weihnachtsfeiern in Vereinen blieben dagegen verboten.
Familie Kaisen wird anderes im Sinn gehabt haben. Ihr Umzug von Findorff nach Borgfeld stand bevor. Im August 1933 hatte Wilhelm Kaisen nach seinem Ausscheiden aus dem Bremer Senat und zeitweiliger Inhaftierung sich dazu entschlossen, eine Siedlerstelle in Borgfeld zu erwerben. Die „Vollerwerbsstelle“ umfasste sechs Morgen Land, die als Gartenhof bewirtschaftet werden sollten. Mehr dazu hier.
In Eigenleistung hatte Wilhelm Kaisen zusammen mit seinem Vater Hendrik und dem Schwiegervater Anton Schweida in den vergangenen Monaten ein Siedlungshaus gebaut. Dies war nun bezugsbereit. Die älteste Tochter Ilse Kaisen war im Oktober 1933 zehn Jahre alt geworden. Sie schildert sie den Umzugstag am 4. Dezember 1933 ausführlich in ihren Lebenserinnerungen.
Bereits in den Herbstferien brachten sie und ihre Brüder, Franz und Niels, die Fahrräder nach Katrepel. Zu diesem Zeitpunkt nahm Ilse ihr zukünftiges Zuhause zum ersten Mal in Augenschein und war erschrocken: „Ich fand es sehr primitiv und sehr abgelegen; es waren weite Wege … “
Großvater Schweida hatte es übernommen, sich um die vielen Bücher der Familie zu kümmern. Eine Sache, die allen sehr am Herzen lag: „Er besorgte große Holzkisten und verpackte sorgfältig alle Bücher.“ Der Transport der schweren Kisten erwies sich als Problem, für das Wilhelm Kaisen schließlich eine Lösung fand: „Ein Moorbauer, der wöchentlich mit Torf, Kartoffeln und so weiter auf einem Pferdefuhrwerk nach Findorff fuhr, war bereit, die Kisten abzuholen und nach Katrepel zu bringen.“ Im Dezember erfolgte dann der eigentliche Umzug:
„Am 4. Dezember 1933 war es dann soweit: Morgens stand der Möbelwagen vor der Tür. Auf einem Plattenwagen mit Gardinen und Pferdegespann davor wurde unser Hausstand verstaut, denn nur so war es möglich, die schlechten Feldwege zu befahren, und das geschah bei (minus) 12° Kälte. Unsere Lebensmittelvorräte wie Eingemachtes, Hülsenfrüchte, getrocknete Früchte, Brot usw. und das von unserer Mutter vorgekochte Mittagessen (ich erinnere mich gut an gebratene Schweinerippchen, Kartoffeln und Rotkohl) brachte uns Georg Blenjes (Findorffer Speditionsunternehmen E.D.) mit seinem Hannomag nach Katrepel.
Tage vorher war unsere Mutter mit uns Kindern noch beim Hausarzt zur Untersuchung gewesen, um sicherzugehen, dass wir für dieses Unternehmen in guter körperlicher Verfassung sind. So war wohl an alles gedacht, und wir gingen an jedem Dezembertag morgens in die Schule und nach der Schule noch einmal in die Tübinger Straße, wo unsere Mutter mit Inge auf uns wartete. (…)
Unser Vater und Großvater Schweida waren schon früh nach draußen gefahren, um den Möbelwagen zu erwarten. Als wir ankamen, waren die Möbel abgeladen und auf die entsprechenden Zimmer verteilt. In jedem Zimmer war ein Ofen, alle wurden schon seit Tagen von unserem Großvater beheizt, und es war schön warm. Das Essen stand auf dem Herd und so konnten wir uns alle um den großen Tisch sitzen und essen.“
Mit diesem stimmungsvollen Bild wünschen wir Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit und frohe Feiertage!
Das Team und der Vorstand der Wilhelm und Helene Kaisen-Stiftung