1933 erwarb Wilhelm Kaisen nach Ausscheiden aus dem Senat und zeitweiser Verhaftung durch die Gestapo eine Siedlerstelle in Borgfeld zwischen Rehtfeldsfleet und Oberstem Fleet: sechs Morgen Land, 280 Meter in der Länge, 54 Meter in der Breite. Zu Wohn- und Stallgebäude gehörten Garten- und Ackerland, Wiesen und Weiden.
Der Worpsweder Gartenarchitekt Max Karl Schwarz hatte für die Borgfelder Siedlerstellen einen „Gestaltungsplan“ entworfen. Schwarz gehörte zu den Pionieren der biodynamischen Landwirtschaft, basierend auf dem Gedanken Rudolf Steiners. Eine Siedlungsberaterin (> mehr hier) sollte die Siedler im ersten Jahr unterstützen.
Land aufbereiten, Bau und Einsatz von Wander- und Mistkästen, die Bewirtschaftung eines Gewächshauses, Auswahl des Saatguts, Saat- und Pflanzzeiten, alles musste sich Kaisen neu aneignen. Landwirtschaft war kein Achtstundentag und Kaisen war kein Hobby-, sondern Erwerbsgärtner. Einen Teil seiner Ernte verkaufte er, um die Familie zu ernähren, der Rest wurde selbst verbraucht.
Wilhelm Kaisen hat seine Erfahrungen in einem kleinen Notizbuch im Jahr 1936 festgehalten. Tag für Tag, Aufzeichnungen über das Wetter und die täglichen Arbeiten:
1. Januar: Ins Treibhaus gesät: Tomaten, Kohlrabi, Wintersalat pikiert.
24. Februar: Kompost aufgesetzt.
10. März: Mild und Sonne. Kartoffelland gegraben. Große Bohnen gelegt. Weißkohl im Anzuchtkasten.
25. April: Starker Regen. Nordweststurm. Alles überflutet.
12. Juni: 30 Pfund Erdbeeren verkauft.
Das Notizbuch ist ein spannendes Dokument, welches Kaisen als eigene Erinnerungsstütze angefertigte und welches den landwirtschaftlichen Alltag auf der Siedlerstelle wiedergibt.
Hartmut Müller hat Wilhelm Kaisens Eintragungen ausgewertet und ist so dessen Spuren in den ersten Jahren als Neusiedler nachgegangen. Am 12. September 2021 fand vor Ort auf der ehemaligen Siedlerstelle eine Lesung aus diesen Ausführungen statt. Die Publikation ist über die Stiftung erhältlich und in unserer Veröffentlichungsreihe verzeichnet.
Die Aufnahme aus dem Familienalbum zeigt die Siedlerstelle in den 1930er-Jahren. Deutlich sind Wanderkästen und Komposthaufen zu erkennen.